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Vorsicht Asbest!

Montagen im Bestand nur noch mit Qualifizierung?

In den 1950er- und 1960er-Jahren war Asbest ein beliebter und günstiger Baustoff. Die damit verbundenen gesundheitlichen Gefahren wurden unterschätzt. Erst seit 1979 ist Spritzasbest in Westdeutschland verboten, und ab 1993 besteht auch ein bundesweites Herstellungs- und Verwendungsverbot. Asbestfasern können - wenn sie eingeatmet werden - zu Krebs und Asbestose führen. Der in Baustoffen wie Putzen, Klebern und Spachtelmassen zugemischte Asbest kann im Zuge von Arbeiten an asbestbelasteten Bauteilen (z.B. Austausch von Fenstern) freigesetzt werden. Dies wurde jedoch bislang aufgrund der geringen Konzentration als unbedenklich angesehen. 

Mit der Neufassung der Technischen Regel für Gefahrstoffe „Asbest: Abbruch-, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten“ (TRGS 519) vom 17.10.2019 wurden Putze und Spachtelmassen, die vor 1993 aufgebracht wurden, in die technische Regel aufgenommen. Die Vorschriften dieser TRGS müssen von Auftraggebern, Planern und Ausführenden, aber auch von Privatpersonen eingehalten werden. Um alle am Bau Beteiligten sowie Bewohner und Nutzer potenziell belasteter Gebäude vor Gesundheitsrisiken durch Asbest zu schützen, ist ein systematisches Vorgehen bei Baumaßnahmen erforderlich.

Was bedeutet dies für Tischler und Schreiner?

Die gesetzliche Vorgabe verlangt zunächst, dass alle Arbeiten an asbesthaltigem Putz und Spachtelmassen seit letztem Jahr nur noch bei entsprechenden Schutzmaßnahmen und bei vorgegebener Qualifikation zulässig sind. Bereits bei kleinen Stemmarbeiten und Bohrungen in Innen- und Außenputz müssen diese Voraussetzungen erfüllt sein. Damit kann es alle Tischler, die in Bestandsgebäuden vor 1993 ihre Produkte montieren, treffen.

 

Zunächst muss vom Bauherren oder betroffenen Handwerker eine Probe genommen werden, um festzustellen, ob der Putz Asbest enthält.  Bei nachgewiesenem Asbest dürfen Arbeiten am Putz, wie Bohren, Stemmen, Sägen usw., nur mit entsprechenden Schutzmaßnahmen ausgeführt werden. Ferner dürfen die Arbeiten nur Unternehmen ausführen, die bei emissionsarmen Verfahren bzw. geringer Exposition (BT-Verfahren) für den Verantwortlichen mindestens die Qualifikation nach Anlage 4C der TRGS 519 (2,5 Tage) nachweisen können. Für viele Arbeiten existieren bereits emissionsarme Verfahren, allerdings noch kein praktikables Verfahren für den Fensterausbau.

 

Da der Verantwortliche oftmals nicht selbst die Aufsicht der Asbestbaustelle über den gesamten Zeitraum sicherstellen kann, besteht neuerdings die Möglichkeit, aufsichtführende Mitarbeiter zu qualifizieren (zweitägig ohne Abschlussprüfung). Die Schulung nennt sich "Modul Q 1E" und kommt nur bei ausschließlich emissionsarmen Verfahren zum Zuge. Solange es insbesondere für den umfangreichen Fenstertausch keine praktikablen emissionsarmen Verfahren gibt, muss der Ausbau von Unternehmen mit der Qualifikation nach Anlage 3 der TRGS 519 (5Tage) vorgenommen werden. Abweichend dürfen ohne emissionsarme Verfahren bei Arbeiten mit geringem Umfang (2Mitarbeiter, 4Stunden) die Arbeiten auch von qualifizierten Betrieben nach Anlage 4C bzw. Anlage 10 der TRGS 519 ausgeführt werden.

 

Nun wird mancher Betriebsinhaber die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und vor lauter Unverständnis auf alles schimpfen. Protest ist gut, parallel sollte aber auch nach praktikablen Lösungen gesucht werden.

Was ist bisher geschehen?

Um die Schlussfolgerungen auf die berufliche Praxis festzulegen, wurde unter der Federführung des Bundesarbeitsministeriums ein „Nationaler Asbestdialog“ ins Leben gerufen, an dem u.a. auch der Bundesverband Holz und Kunststoff beteiligt ist. 

 

Bei den Betrieben aller am Bau tätigen Gewerke herrscht eine große Unsicherheit über die notwendigen Maßnahmen und Qualifikationen. Deshalb hat am 29. Juli 2020 unter Federführung des Unternehmerverbandes Handwerk Rheinland-Pfalz eine Videokonferenz unter Teilnahme aller am Bau tätigen Gewerke stattgefunden, die einerseits dem Informationsaustausch und andererseits auch einer Absprache über eine eventuell gemeinsame Herangehensweise dienen sollte.

 

Auf Anregung des Fachverbandes LRG hat am 30. Juli 2020 eine Telefonkonferenz zwischen dem Hessischen Handwerkstag, dem Hessischen Tischlerhandwerk, dem Hessischen Ministerium für Soziales und Integration sowie dem für Hessen federführenden Regierungspräsidium Kassel stattgefunden.  Dabei konnte den Behördenmitarbeitern die prekäre Situation für das Handwerk nähergebracht werden. Einerseits ist es im Interesse der Bundesregierung, insbesondere Fenster wegen des Wärmeschutzes auszutauschen, und andererseits gibt es zu wenig qualifizierten Betriebe, die den Austausch durchführen dürfen. Ein weiteres Hindernis für den Fensteraustausch werden die zu erwartenden höheren Kosten bezüglich des Arbeits- und Umweltschutzes sein.

Und Nun? Schulungen ab 2021 an der Holzfachschule Bad Wildungen!

Um die hessischen und rheinland-pfälzischen Tischlerbetriebe auf die neue Situation vorzubereiten, wird es in Kooperation mit dem Dachdeckerhandwerk werden ab Frühjahr 2021 Schulungen nach Anlage 4C der TRGS in der Holzfachschule angeboten (Das entsprechende Lehrgangsangebot können Sie hier finden). Bei entsprechender Resonanz könnte im Lauf des Jahres 2021 die Akkreditierung als qualifizierter Schulungsanbieter nach Anlage 4C beim RP angestrebt werden. Dazu entwickelt der Bundesverband ein Schulungskonzept, welche den Landesverbänden zur Verfügung gestellt werden. Mit der Qualifizierung können viele Arbeiten bei der Montage von Tischlerarbeiten gesetzeskonform ausgeführt werden.

Parallel werden in Zusammenarbeit mit dem Glaserhandwerk und den Berufsgenossenschaften (BG Bau, BGHM, BG ETEM) emissionsarme Verfahren für den Fensterausbau getestet.

 

Gemeinsam mit den hessischen Behörden soll ein Verfahren entwickelt werden, das auch ohne besondere Qualifizierung die Beprobung von Putzen und Spachtelmassen durch die Handwerker bzw. Bauherren erlaubt. Dies würde sehr schnell zeigen, ob ein Putz hochgradig belastet ist, was nach Vermutungen der Behörden nicht der Fall sein wird. 

 

Für die Zukunft ist geplant, die Qualifizierung nach Anlage 4C TRGS innerhalb der Meistervorbereitungskurse an der Holzfachschule zusätzlich anzubieten.